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Reise in die moderne Geldwirtschaft

Sternebewertung
4/5

Reise in die moderne Geldwirtschaft

Wirtschaftszusammenhänge verstehen und mitreden können

Seit dem Frühjahr 2022 ärgern sich die Deutschen über steigende Benzin- und Strompreise. Die Inflationsrate kletterte zeitweise auf über 10 % und macht dauerhaft viele Lebensmittel teurer.

Das Autoren-Dou Johannes Binswanger und Carolin Güssow wollen mit diesem Buch die Entwicklung des Geldes, der Finanzwirtschaft von Grund auf richtig erklären und alle Maßnahmen volkswirtschaftlich einordnen. Sie nehmen die Leser mit auf eine Reise durch die Geschichte des Geldes, der Wirtschaft, internationalen Verflechtungen und deuten, wie es zu dem heutigen System gekommen ist.

Jonannes Binswanger ist Professor für Betriebswirtschaftslehre und Public Policy an der Universität St. Gallen. Seine Forschungsschwerpunkte sind Volkswirtschaftslehre sowie Data Science und Künstliche Intelligenz.

„Unsere Darstellung beginnt an einem prototypischen Ort, an dem sich unsere cartoonhafte Geldwirtschaft entwickelt. Damit auch der Name zu der prototypischen Rolle passt, heißt dieser Ort Econville.“ (Binswanger, Güssow)

Ausgangspunkt ist dieses fiktive Dorf in der Frühzeit, in dem es noch kein Geld gibt. Als Zahlungs-, Tausch- und Lohnmittel werden von den Bewohnern anfangs noch Naturalien verwendet. Der pfiffige Entdecker und Landwirt Heureka (sehr schön nach einem Ausspruch von Archimedes benannt!) erfindet ein Gerät, das die Arbeit auf dem Feld erleichtert. Für die Entwicklung braucht er aber Arbeitskraft und bittet die Econviller Bewohner, als Investoren, um Lebensmittel, im Sinne eines Darlehens,  für seine Arbeiter. So schafft Heureka den ersten Schritt zu Wirtschaftswachstum und Investitionskapital. Im Gegenzug verspricht er den Econvillern, dass sie mehr zurückbekommen, als sie investiert haben.

Fortschritt

Aufgrund des zunehmenden Umfangs des Handels gestaltet sich die Bezahlung mit Naturalien immer schwieriger. Schnell wird Gold als optimales Zahlungsmittel etabliert. Es wird von Goldschmieden gelagert, verwaltet und später durch Zettel ersetzt. So entsteht in Econville das erste noch durch Gold gedeckte Bargeld. Die Familie Heureka erfindet weitere Maschinen und der Goldschmied Goldberg gibt ihr diesmal ungedeckte Kredite, um die Projekte zu finanzieren. Vertrauen in die Innovationskraft und das Geldsystem ist hier die Grundvoraussetzung. Das Konzept geht so lange gut, bis der erste ungedeckte Kredit platzt und das geliehene Kapital nicht mehr zurückgezahlt werden kann. Die erste Finanzkrise in Econville kündigt sich an. Daraufhin wird eine Zentralbank eingerichtet, die künftig mit ihrem Geld die Liquidität der Geschäftsbanken sicherstellt und die Geldwertstabilität garantiert.

Die Funktion der Zentralbanken

Sehr ausführlich erläutern die Autoren ab dem sechsten Kapitel die Rolle der Zentralbanken bei Inflation, Deflation und Rezession. Mit den ihr zur Verfügung stehenden Instrumenten kann die Zentralbank in jeder Krisensituation angemessen eingreifen. Die Europäische Zentralbank kann Staatsanleihen von Eurostaaten aufkaufen und so deren Liquidität verbessern und Zinsen senken. Ziel ist es, so die Marktpreise stabil zu halten und eine Inflationsrate von unter 2% anzustreben. Diese Vorkenntnisse sind wichtig, um die unkonventionelle Geldpolitik der EZB in der Finanzkrise 2008 zu verstehen und warum die EZB quasi wie von Zauberhand „Geld drucken“ kann.

Jeder finanzpolitische Eingriff hat Auswirkungen auf die Volkswirtschaft und die privaten Sparer. Werden die Zinsen gesenkt, freuen sich die Unternehmen, weil sie sich günstig Geld leihen und Investitionen tätigen können. Auf dem Sparbuch gibt es dann aber keine Zinsen mehr. Steigen die Zinsen, steigen auch die Kreditzinsen, kann es zu einem Investitions- und Innovationsstopp bei den Unternehmen kommen. In Deutschland ist davon insbesondere die Bauwirtschaft betroffen.

Abschließend kommen die Autoren auf Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum zu sprechen. Die Funktionsweise der Blockchain-Technologie und die Verschlüsselungsmechanismen werden in bildhafter Sprache verständlich gemacht. Kritisch diskutieren die Experten, ob die EZB eines Tages auch den digitalen Euro installieren wird.

Fazit:

Das Finanzwesen ist komplex. Die Autoren haben festgestellt, dass viele Menschen die Zusammenhänge von Geldpolitik, Volkswirtschaft und Bankwesen nicht verstehen. Deshalb haben sie sich zum Ziel gesetzt, ein Buch für Einsteiger zu schreiben und Licht ins Dunkel zu bringen.

Binswanger und Güssow verlieren nie den roten Faden aus den Augen und schlüsseln die Zusammenhänge und Herausforderungen der heutigen Geldwirtschaft logisch auf. Besonders positiv ist mir aufgefallen, dass die Autoren praxisnahe Beispiele aus dem Alltag liefern.

Der Schreibstil ist sehr eloquent und die Fachbegriffe werden ausführlich mit Beispielen erläutert. Lediglich einige Wiederholungen in der Wortwahl sind mir aufgefallen.

Die Idee mit der Modellstadt „Econville“ ist bestens gelungen. In den ersten Kapiteln veranschaulichen Comicbilder den Text. Allerdings hätte ich mir auch in den folgenden Kapiteln Bilder oder Diagramme gewünscht.

Eine leicht verständliche Zusammenfassung am Ende des Kapitels wiederholt noch einmal die wichtigsten Punkte.

Dieses Fachbuch geht weit über die Inhalte eines klassischen Lehrbuches hinaus und behandelt die Themen Preisstabilität und Konjunktursteuerung sehr ausführlich.

Geeignet für: Einsteiger mit Vorkenntnissen, VWL-Studenten

Bewertung: wertvoll

Über die Autoren:

Johannes Binswanger, Professor für Business Economics and Public Policy an der Universität St. Gallen

Carolin Güssow, Lehrbeauftragte für Volkswirtschaftslehre, unterrichtet mit Johannes Binswanger zusammen

 

Verlag: Wiley Verlag

Taschenbuch: 340 Seiten

Erscheinungsdatum: 23. März 2023

Erste Auflage

Genre: Wirtschaft

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Büchereule

    Tolle Rezension! Das klingt sehr interessant für Schüler!

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