Schnelles Denken, langsames Denken

Rezension – Buchempfehlung – Buchtipp – Buchbesprechung

Sternebewertung
4.5/5

Schnelles Denken, langsames Denken

 

Der Psychologe Daniel Kahneman hat 2002 mit Amos Tversky den Nobelpreis für Wirtschaft für die „Neue Erwartungstheorie“ verliehen bekommen. Die beiden Wissenschaftler forschten an dem Verhalten von Menschen, die sich in einer Entscheidungssituation befanden. Diese Erkenntnisse kann man auf Entscheidungen im wirtschaftlichen Bereich anwenden. Die kognitiven Fähigkeiten des Homo oeconomicus (Nutzenmaximierer) werden widerlegt und entzaubert.

Der Bestseller „Schnelles Denken, langsames Denken“ geht über die Erkenntnisse von der nobelpreisgekrönten Studie hinaus. Kahneman teilt die Fähigkeit unseres Gehirns in zwei Systeme ein. Das schnelle Denken (im Folgenden System 1) fällt die Entscheidungen intuitiv, automatisch und zügig. Ein Beispiel dafür ist, dass Kleinkinder die grammatischen Regeln der Sprache sofort richtig anwenden, obwohl sie keinen Grammatikunterricht bekommen haben. Das System 1 mag einfache Themen, wie den Tratsch und Klatsch über Prominente, neigt aber auch zu Fehlentscheidungen und kognitiven Verzerrungen. Diese Verzerrungen in der Wahrnehmung verleiten uns immer wieder zu Selbstüberschätzungen und falschen Entscheidungen.

Das langsame Denken (im Folgenden System 2) ist für abstrakte logische Aufgaben zuständig aber leider faul und schnell erschöpft. Passende Beispiele dafür sind die Interpretation von statistischen Auswertungen und ist die Kopfrechenaufgabe 97 x 46 =? System 2 wird aktiviert bei mentalen anstrengenden Entscheidungen. In Tests konnten Forscher herausfinden, dass sich die Pupillen der Probanden erweitern, wenn diese kognitiv anspruchsvollen Aufgaben lösen sollten.

Kahneman kommt zu der Erkenntnis, dass System 1 uns bei schwierigen Entscheidungen oft in die Irre führt und wir deshalb dem System 2 bewusst den Vorzug geben sollten.

Der Nobelpreisträger stellt in den 38 Kapiteln zahlreiche Experimente vor und erklärt die Ergebnisse praxisnah. Im Folgenden gehe ich auf zwei Beispiele näher ein, die für den Aktienkauf am Börsenmarkt relevant sind.

Warum Menschen das Risiko scheuen

In Kapitel 27 des Buches geht Kahneman detailliert auf das Thema „Verlustaversion“ ein.  Das ist die besagte Theorie, für die er den Nobelpreis gewonnen hat.

Tversky und Kahneman haben herausgefunden, dass Menschen eher dazu neigen Verluste zu vermeiden, obwohl der Gewinn prozentual genauso möglich wäre. Erst ein 2,5-facher Gewinn gleicht den Verlust wieder aus.

Beispiel:  In einem Experiment wurden Teilnehmer gefragt, ob sie an dem Münzwurfspiel teilnehmen würden. Bei „Zahl“ verliert der Teilnehmer 100 Dollar. Bei „Kopf“ gewinnt er 150 Dollar. Die Mehrheit der Probanden haben die Chance abgelehnt.

Dies hat Auswirkungen viele Entscheidungssituationen im Alltag. Auch bei wirtschaftlichen Entscheidungen. Daraus kann man wichtige Erkenntnisse für den Aktienhandel ziehen. Wenn eine Aktie sich im Minus befindet, möchte der Aktionär diese nicht mit Verlust verkaufen, denn er hat die Hoffnung, dass der Kurs bald wieder steigt.

Wie können wir die Studienergebnisse auf den Börsenmarkt übertragen?

Generell sollten bei der Aktienauswahl rationale Kriterien gelten. Leider überschätzen Privatanleger ihre Fähigkeiten, weil sie die Risiken des Aktienmarktes unterschätzen. Denn niemand kann die Entwicklung des Aktienkurses vorhersagen.

Unterliegen Anleger einer Kompetenzillusion?

Definitiv, meint Kahneman. Wenn täglich Millionen von Aktien verkauft werden, werden diese von einem anderen Markteilnehmer gekauft. Hat nun der Verkäufer andere Informationen über das Unternehmen als der Käufer? In einem vollständigen Markt sind alle Informationen im Aktienkurs eingepreist. Dieser Aspekt wird in der Efficient -Market- Theory bewiesen. Des Weiteren spricht Kahneman die „Rückkehr zum Mittelwert“ an, die besagt, dass die Aktien nach einer gewissen Zeit zum Wert des Vergleichsindexes zurückkehren.

In vielen Untersuchungen haben unterschiedliche Forscher herausgefunden, dass Privatanleger kein Glück mit Stock Picking haben und Kahneman hält diese Strategie eher für ein Glückspiel.

Welche Ratschläge hat Kahneman für den Kleinanleger?

Nicht so oft Aktien kaufen und verkaufen. Denn die Transaktionskosten mindert die Rendite.  

Dann ist doch eine Investition in einen breitgestreuten Indexfonds und langfristig die richtige Wahl. Vorteil dabei wäre, dass die Informationen über die Unternehmen schon eingepreist sind und der Investor von der Regression zum Mittelwert partizipieren kann.

Fazit:

Daniel Kahneman hat hier ein bemerkenswertes Werk über die Fähigkeiten und Fehlinterpretationen unseres Gehirns vorgelegt. Es ist gefüllt mit einer Unzahl von Studienergebnissen und Experimenten.

Kahnemann schafft es dem Leser zu erklären, warum wir alle im Alltag besonders bei ökonomischen Entscheidungen Täuschungen unterliegen.

Es ist ein Buch, das in die Tiefe geht. Sehr detailliert werden die Studien und deren Erkenntnisse interpretiert.  Jedoch kann jeder Interessierte die wichtigen Verhaltensregeln in Bezug auf ökonomische Entscheidungen auch in der gängigen Literatur zu Aktien und Investitionen finden. Dort nicht so geballt und tiefgreifend erörtert aber auch praxisnah dargestellt.

Mit über 620 Seiten und kleiner Schrift ist dieses Buch nicht mal eben schnell gelesen und mit komplexer Sprache kein Buch, das auf dem Nachttisch liegen sollte. Leider werden einige Aspekt öfters wiederholt und umständlich erklärt, so dass man einige Abschnitte zweimal lesen möchte.

Die Erkenntnisse der Forschungsergebnisse haben mir besonders bei Alltagssituationen die Augen geöffnet. Deswegen bleiben mir viele wertvolle Ratschläge bestimmt gut im Gedächtnis.

Ich kann jedem diese Lektüre wärmstens für die empfehlen, die sich nicht nur auf offensichtliche Zahlen, sondern für tiefergehende Interpretationen interessieren.  Denn das Offensichtliche kann unsere Urteilsfähigkeit gehörig verzerren.

Bewertung: sinnvoll

Geeignet für:  Fortgeschrittene, mit Interesse an Neurophysiologie

Über den Autor:

Daniel Kahneman (*05. März 1934) ist ein israelisch-US-amerikanischer Psychologe, 2002 bekam er den Nobelpreis für Wirtschaft. Er ist einer der einflussreichsten Kognitionspsychologen.

 

Verlag: Siedler Verlag

Erscheinungsdatum: 2011

Gebundene Ausgabe: 620 Seiten

zehnte Auflage 2011;

Genre: Neurobiologie

 

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