Ein Gastbeitrag vom RA Niklas Clamann, Münster
In den letzten Jahren erfreuen sich Kryptowährungen immer größerer Beliebtheit. Insbesondere für Bitcoin besteht mittlerweile auch ein großes mediales Interesse, da die weltweit marktstärkste unter den Kryptowährungen einigen vorausschauenden Investoren extreme Gewinne beschert hat.Wer allerdings während der Ehe in Kryptowährungen investiert hat, muss die erzielten Gewinne im Falle des Scheiterns der Ehe unter Umständen mit seinem Ehegatten teilen. Wann eine Aufteilung erfolgt und weshalb ein Ehevertrag trotz seines schlechten Rufs empfehlenswert ist, erkläre ich im nachfolgenden Beitrag.
Mein Name ist Niklas Clamann, ich bin Rechtsanwalt für Familienrecht und habe mich in meiner Kanzlei in Münster auf das Verfahren der sogenannten Online Scheidung spezialisiert. Über meine Website können Sie online Ihre Scheidung einreichen.
Teilung des Vermögens nur auf Antrag
Vorab ist mit der Legende aufzuräumen, wonach bei einer Scheidung immer zwingend jeder Ehegatte die Hälfte des Vermögens des anderen Ehegatten erhält. Tatsächlich findet eine Aufteilung des Vermögens, der sogenannte Zugewinnausgleich, nur dann statt, wenn dies zumindest ein Ehegatte so beantragt. Stellt keiner der Ehegatten einen entsprechenden Antrag auf Durchführung des Zugewinnausgleichs und wird stattdessen, wie in den meisten Fällen, ausschließlich die Ehescheidung beantragt, so behält jeder Ehegatte sein Vermögen für sich. Eine Aufteilung findet dann nicht statt.
Was Zugewinnausgleich bedeutet
Wünscht ein Ehegatte die Durchführung des Zugewinnausgleichs, so kann dies entweder außergerichtlich über die jeweiligen Anwälte oder im gerichtlichen Verfahren geschehen. Beim Verfahren des Zugewinnausgleichs geht es in beiden Fällen darum, den während der Ehezeit erwirtschafteten Zugewinn beider Ehegatten zum Ende der Ehe auszugleichen.
Dabei wird für jeden Ehegatten gesondert geprüft, in welcher Höhe jeweils Vermögenswerte während der Ehezeit hinzugewonnen wurden. Es wird abgestellt auf einen Anfangszeitpunkt, den Tag der Heirat, und einen Endzeitpunkt, den Tag, an dem der von dem einen Ehegatten gestellte Scheidungsantrag dem anderen Ehegatten vom Familiengericht zugestellt wird. Zu beiden Stichtagen wird ein Vermögensverzeichnis erstellt, also aufgelistet, was an Vermögenswerten insgesamt vorhanden war.
Dafür wird sämtliches vorhandenes Vermögen berücksichtigt: Kryptowährungen wie Bitcoin werden genau wie Bargeld, Bankguthaben, PKW, Immobilien, Wertpapiere, Versicherungen, Lottogewinne, Luxusgüter oder Unternehmensanteile dem Vermögen hinzugerechnet.
Ist das Gesamtvermögen eines Ehegatten am Stichtag für den Endzeitpunkt höher als am Stichtag für den Anfangszeitpunkt, hat dieser Ehegatte während der Ehe Vermögen hinzugewonnen, also einen Zugewinn erzielt. Gelangt man zu dem Ergebnis, dass beide Ehegatten einen Zugewinn in gleicher Höhe erzielt haben, ist ein Zugewinnausgleich nicht durchzuführen. Übersteigt der Zugewinn des einen Ehegatten den Zugewinn des anderen Ehegatten, wird diese Differenz hälftig geteilt und dem anderen Ehegatten ausgekehrt, was den Zugewinnausgleich darstellt.
Zum besseren Verständnis dazu ein stark vereinfachtes Beispiel:
Ehegatte A hatte zum Datum der Heirat 10.000,00 € auf dem Konto und verfügte ansonsten über kein Vermögen. Zum Datum der Zustellung des Scheidungsantrags an den anderen Ehegatten hat Ehegatte A 15.000,00 € auf dem Konto und Bitcoin im Wert von 5.000,00 €, also insgesamt 20.000,00 €. Die Differenz des Vermögens zu beiden Stichtagen, also 10.000,00 €, bilden den Zugewinn des Ehegatten A.
Der Zugewinn von Ehegatte B beträgt nach Berechnung der Differenz zwischen Anfangs- und Endzeitpunkt 5.000,00 €. Der Zugewinn des Ehegatten A übersteigt den des Ehegatten B. Die Differenz beträgt hier 5.000,00 €. Die Hälfte von der Differenz, also 2.500,00 €, sind vom Ehegatten mit dem höheren Zugewinn, also von Ehegatte A, an den Ehegatten mit dem geringeren Zugewinn, also Ehegatte B zu überweisen. Ehegatte A hat von seinem Zugewinn in Höhe von 10.000,00 € also 2.500,00 € abgegeben und ihm verbleibt noch ein Zugewinn in Höhe von 7.500,00 €. Ehegatte B hat zu seinem Zugewinn in Höhe von 5.000,00 € von Ehegatte A noch 2.500,00 € überwiesen bekommen und somit am Ende ebenfalls einen Zugewinn in Höhe von 7.500,00 €.
Beim Kryptodepot sind Gewinne und Verluste relevant
Das oben genannte Beispiel verdeutlicht, dass alles, was ich zum Zeitpunkt der Eheschließung besitze, meinem Anfangsvermögen hinzugerechnet wird und somit nicht als Zugewinn zählt. Besitze ich also am Tag der Eheschließung Bitcoin im Wert von 50.000,00 € und sind diese am Tag der Zustellung des Scheidungsantrags noch immer 50.000,00 € wert, so habe ich zumindest hinsichtlich meiner Bitcoin keinen Zugewinn erzielt und es erfolgt kein Ausgleich.
Anders sieht es jedoch aus, wenn sich die Bitcoin im Wert steigern. Sind meine Bitcoin zum Endzeitpunkt 100.000,00 € wert, so habe ich allein durch meine Bitcoin einen Zugewinn in Höhe von 50.000,00 € erwirtschaftet, der im Rahmen des Zugewinnausgleichs berücksichtigt wird.
Mache ich durch meine Investition in Bitcoin jedoch Verluste, sind meine Bitcoin also zum Endzeitpunkt nur noch 40.000,00 € wert, so sind mir diese 10.000,00 € von einem eventuell ansonsten erwirtschafteten Zugewinn abzuziehen.
Wie das Kryptodepot gesichert werden kann
Wer sich trotz Scheidung mit seinem Ehegatten noch gut versteht und sich einig ist, dass keine Ansprüche gegen den jeweils anderen geltend gemacht werden sollen, der muss sich auch nicht um sein Kryptodepot sorgen. Denn wie bereits oben erläutert, findet ein Zugewinnausgleich nur dann statt, wenn dies einer der Ehegatten im Rahmen der Ehescheidung ausdrücklich beantragt. Ansonsten behält jeder sein Vermögen für sich.
Wer schon zu Beginn der Ehe rechtswirksam festlegen möchte, dass kein Zugewinnausgleich stattfinden soll, der kann dies in Form eines Ehevertrags verwirklichen. Beim Ehevertrag handelt es sich um eine notariell beglaubigte Urkunde, die auch noch erstellt werden kann, wenn die Ehe bereits gescheitert ist. Dann bezeichnet man die Urkunde als Scheidungsfolgenvereinbarung. In dieser Urkunde kann nicht nur ein Ausschluss, sondern auch eine Modifikation des Zugewinnausgleichs vereinbart werden. Hier könnte also festgehalten werden, dass ein Zugewinnausgleich zwar durchgeführt wird, die jeweiligen Kryptodepots dabei aber nicht berücksichtigt werden sollen.
Es ist in jedem Fall empfehlenswert, sich zu Beginn der Ehe zumindest Gedanken über einen Ehevertrag zu machen. Der schlechte Ruf oder die Bezeichnung als unromantisch sind definitiv nicht gerechtfertigt. Zwar ist es verständlich, dass sich nicht jeder Heiratswillige schon zu Beginn der Ehe mit dessen Scheitern auseinandersetzen möchte. Demgegenüber gibt es jedoch keinen besseren Zeitpunkt für das Treffen einer Einigung als genau diesen. Denn wer erst einmal, in den meisten Fällen nach einem Streit, in Trennung lebt, ist in den seltensten Fällen noch in der Lage, mit dem Ehegatten eine für beide Seiten faire Regelung zu finden. Meistens sind die Fronten dann schon so verhärtet, dass die Kommunikation ausschließlich über die jeweiligen Anwälte stattfindet.